Himmelskinder by Marion Feldhausen
Autor:Marion Feldhausen [Feldhausen, Marion]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
ISBN: 3442378362
Herausgeber: Blanvalet Taschenbuchverl
veröffentlicht: 2013-09-23T22:00:00+00:00
6
Als Alvermann im Mercator eintraf, erfuhr er an der Rezeption, dass die Studentin inzwischen nach Hause gekommen und von ihrer Chefin informiert worden war. Wenig später traf sie im Hotel ein. Alvermann stellte sich vor und fragte nach einem Raum, in dem sie ungestört reden konnten. Sie setzten sich in ein kleines Zimmer hinter der Rezeption.
»Sie sind Julia Boers, 26 Jahre alt und Studentin. Ist das richtig?«
Die junge Frau vor ihm nickte:
»Ja, Soziologie. Vielleicht werde ich irgendwann einmal fertig. Noch sieht es nicht so aus«, sagte sie lachend.
Sie wechselten ein paar Worte über ihr Studium, und dann kam Alvermann auf die Nacht zu sprechen, in der Julia Boers Dienst gehabt hatte. Schon nach ihren ersten Sätzen wusste er, dass sich Schlechtriem seine dämlichen Handschuhe sonst wo reinschieben konnte. Trüstedt war nicht alleine ins Hotel gekommen; ein Mann hatte ihn begleitet.
»Wieso steht dann nur Trüstedts Name hier?«, fragte Alvermann und zeigte auf die Eintragung.
»Na ja, die beiden Männer machten irgendwie den Eindruck, als wollten sie gleich oben miteinander ins Bett.«
»Aha, wie kommen Sie darauf?«
»Die wirkten so komisch vertraut, die klebten fast aneinander. Und der Trüstedt, der guckte mir so starr in die Augen, als wollte er mich hypnotisieren. Genau, das habe ich gedacht: Der will mich hypnotisieren, damit ich nicht weiter nachfrage. Vielleicht hat er sich geschämt, mit diesem anderen Kerl ein Zimmer zu nehmen.«
»Wie sah der Mann aus, der mit Trüstedt gekommen ist? So genau wie möglich, bitte. Gehen Sie noch einmal zurück zu dem Abend. Sie sitzen in der Rezeption, als die beiden hereinkommen.«
»Er war etwas gröÃer als Trüstedt, hatte eine Mütze auf und, ja, trug eine Brille mit getönten Gläsern. Dunkler Typ. Er sah gut aus, aber nicht auf die schwule Art.«
»Was meinen Sie damit?«
»Schwule Männer sind oft sehr attraktiv, aber eben anders als ihr. Ich dachte, es sind zwei Bi-Männer, die sich etwas gönnen.«
Alvermann schluckte und musste neidlos anerkennen, dass die jungen Frauen heute, anders als zu seiner Zeit, wenig verklemmt zu sein schienen.
»Aha, so. Und was hatte er an?«
»Daran kann ich mich nicht genau erinnern. Vielleicht einen Mantel ⦠nein, ich weià es nicht. Aber auf jeden Fall dunkel gekleidet.«
»Und hat er gesprochen? Irgendetwas von sich gegeben?«
»Nein, er hat Herrn Trüstedt alles überlassen.«
»Sie hatten beide kein Gepäck dabei? Kam Ihnen das nicht seltsam vor?«
»Also ⦠nein ⦠für eine kurze Nummer? Die hatten doch alles dabei, was sie brauchten.« Sie lächelte ihn an.
Alvermann betrachtete Julia Boers, Studentin im zwölften Semester.
Als er nach der Finanzierung ihres Studiums gefragt hatte, wollte sie nicht so recht mit der Sprache herausrücken. Er konnte sich durchaus vorstellen, dass sie nicht nur Nachtdienste in fragwürdigen Hotels übernahm.
»Das Mercator ist also ein Stundenhotel?«
Er lehnte sich nach hinten und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
»Nein, aber es kommt schon hin und wieder vor ⦠Wir sind so gut wie nie ausgebucht, verstehen Sie?«
»Wie und wann hat Trüstedts Begleiter das Hotel verlassen? Was denken Sie?«
»Gegen zwei Uhr habe ich abgeschlossen. Dann dürfen wir uns hier auf das Sofa legen. Bis dahin war alles ruhig.«
»Hatten Sie die ganze Zeit den Ausgang im Auge?«
»Nein, bestimmt nicht.
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